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# 07/2015
ISEE 2015 in Kiel
# 06/2014
Energiekonflikte

Deutsch

Vom Regelfolgenproblem zur primitiven Normativität? Eine erkenntnistheoretische Perspektive auf die Tierethik

Inhaltsskizze

Im Zentrum dieses Blockseminars steht ein erkenntnistheoretisches Problem, mit dem sich die tierethischen Ansätze auseinandersetzen sollten, die die moralische Anerkennung von Lebewesen über nicht-begriffliche Begründungsstrukturen konzeptualisieren versuchen (bpsw. über das Mitgefühl). Über diese plädieren insbesondere physiozentrisch orientierte AutorInnen für eine Ausweitung der moralischen Gemeinschaft. Zur Begründung bedienen sie sich oft einer reflexiven Argumentationsfigur: Sie schließen von etwas Offensichtlichem auf etwas Verborgenes – etwa vom Verhalten bei äußerer Gewalteinwirkung auf die subjektive Fähigkeit zur Schmerzempfindung, vom Verhalten beim Lösen von Rechenaufgaben auf kalkulatorische Fähigkeiten, von spezifischen Formen des Sozialverhaltens auf moralische Fähigkeiten. Dabei wird in Analogie zum Diskurs über die menschliche Moral nach ähnlichen Verhaltensweisen gesucht, die wir Menschen mit der innerlich verankerten Rede über Leid, Freude, Mitgefühl, Pflicht etc. verbinden. Denn diese Rede spielt eine wesentliche Rolle im alltäglichen Miteinander und fungiert als wichtiger Indikator für die Fähigkeiten, die wir in der Ethik thematisieren.

Das Blockseminar basiert auf der Überlegung, dass zu dieser Art der spekulativen Konstitution moralischer Fähigkeiten im Rahmen der physiozentrischen Tierphilosophie keine wirkliche Alternative besteht. Denn in Mensch-Tier-Verhältnissen bleiben zwei wichtige Zugänge zur Innerlichkeit verschlossen: Bisher können wir mit Tieren weder verbal kommunizieren noch ihre spezifische Art von Verpflichtungen nachempfinden, ein erkenntnistheoretisches Problem, das Thomas Nagel am Beispiel der Fledermaus diskutiert. Im Seminar verbinden wir dieses tierethische Problem mit der Frage, welches Potenzial Hannah Ginsborgs Konzept der primitiven Normativität - das sie als Antwort auf Wittgensteins und Kripkes Regelfolgenproblem entwickelt - zu dessen Lösung besitzt. Ein solches Vorgehen bietet sich prima facie an, da Ginsborg auf die oben genannte reflexive Argumentationsfigur zurückgreift, um die menschliche Fähigkeit der primitiven Normativität zu begründen. Es liegt also nahe, ihr Konzept der primitiven Normativität für eine tierethische Begründung der Ausweitung der Moral fruchtbar zu machen. Aber eine solche Übertragung lehnt sie explizit ab, da Tiere aus ihrer Sicht ein solches Vermögen nicht besitzen. Dieses Spannungsfeld soll im Verlauf des Blockseminars ausgelotet werden.

Seminarziele

Im Seminar werden wir folgende inhaltlichen und methodischen Ziele verfolgen:

  1. Wir lesen neben den Texten von Wittgenstein, Kripke und Ginsborg auch eine Auswahl entsprechender tierethischen Ansätze.
  2. Ziel ist die kritische Analyse folgender Thesen: a) Ginsborg verwickelt sich in Widersprüche, wenn sie die primitive Normativität Menschen zuschreibt, jedoch Papageien nicht. b) Ihr Ansatz bietet TierphilosophInnen keine alternative Strategie, um moralische Fähigkeiten bei Tieren (deren „moral agency“) zu begründen. Denn nach Ginsborg ist die Fähigkeit der primitiven Normativität letztlich nur über zwischenmenschliche Empathie intersubjektiv zugänglich. c) Dieses Unvermögen deutet auf ein grundlegendes begründungstheoretisches Problem der im Fokus stehenden Tierethiken hin.
  3. Aus methodischer Sicht stellt das Blockseminar ein Forschungsseminar dar. Es soll vor allem die Fähigkeit eingeübt werden, anhand mehrerer Texte unterschiedlicher Autoren Thesen kritisch zu untersuchen. Im Blockseminar werden deshalb mit Bezug zu den drei Thesen drei Gruppen gebildet, deren Aufgabe in der kritischen Analyse einer der Thesen auf Basis der Textlektüre bestehen wird.

Es bietet sich eine Kombination des Blockseminars mit dem Seminar „Hannah Ginsborg: The Normativity of Nature“ an.

Seminarplan

Die Blockveranstaltung findet vom 07.08. bis zum 09.08.2017, jeweils 10:00–18:00 Uhr, im Raum LS6 / R.401 statt. In Klammern stehen die Nachnamen der Studierenden (gemäß OLAT), die einen Referat halten wollen.

  1. | Montag, 07.08.2017
    • Tierethik
      • 10:00 -- 11:30 Uhr: Schmitz 2014: Einleitung (Prien)
      • 11:30 -- 13:00 Uhr: Schmitz 2014: Einleitung (Ters)
    • 13:00 -- 14:00 Uhr: Mittagspause
    • Regelfolgenproblem
      • 14:00 -- 16:00 Uhr: Kripke 2006: Das Wittgensteinsche Paradox (Poddig)
      • 16:00 -- 18:00 Uhr: Kripke 2006: Das Wittgensteinsche Paradox (Poddig, aber nur ein Referat)
  2. | Dienstag, 08.08.2017
    • Ginsborgs Ansatz
      • 10:00 -- 11:30 Uhr: Ginsborg 2011
      • 11:30 -- 13:00 Uhr: Ginsborg 2011
    • 13:00 -- 14:00 Uhr: Mittagspause
    • Haddocks Kritik am Ansatz
      • 14:00 -- 16:00 Uhr: Haddock 2012
      • 16:00 -- 18:00 Uhr: Haddock 2012
  3. | Mittwoch, 09.08.2017
    • Das artfremde Subjekt
      • 10:00 -- 11:30 Uhr: Nagel 1974 (Tonder)
      • 11:30 -- 13:00 Uhr: Kaeser 2003
    • 13:00 -- 14:00 Uhr: Mittagspause
    • Synopsis: Ist Ginsborgs Ansatz auf die Tierethik anwendbar?
      • 14:00 -- 16:00 Uhr: Freie Diskussion -- Grenzen von Ginsborgs Ansatz
      • 16:00 -- 18:00 Uhr: Freie Diskussion -- Grenzen der Tierethik

Literaturempfehlungen

Folgende Literatur eignet sich zur Vorbereitung des Seminars (weitere Hinweise folgen in der Vorbesprechung, siehe Anmeldung):

  1. Ginsborg, Hannah (2011). Primitive Normativity and Skepticism about Rules. In: The Journal of Philosophy, CVIII:5
  2. Ginsborg, Hannah (2015): The Normativity of Nature. Essays on Kant's Critique of Judgement, Oxford: Oxford University Press. enthalten, siehe gleichnamigen OLAT-Kurs.
  3. Kaeser, Eduard (2003). Der Zugang zum artfremden Subjekt. In: Philosophia Naturalis, 40:1: S. 1–42
  4. Haddock, A. (2012). Meaning, Justification, and ’Primitive Normativity’. In: Aristotelian Society Supplementary, 86:1: S. 147–174 (siehe S. 3).
  5. Kripke, Saul A.; Pape, Helmut (2006): Wittgenstein über Regeln und Privatsprache. Eine elementare Darstellung. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  6. Nagel, Thomas (1974). Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? In: Analytische Philosophie des Geistes. Hrsg. von Peter Bieri. Königstein/Tanus (1981): Anton Hain
  7. Schmitz, Friederike (Hg.) (2014): Tierethik. Grundlagentexte. Berlin: Suhrkamp.

Anmeldung

Um am Seminar teilzunehmen, melden Sie sich bitte im gleichnamigen OLAT-Kurs an. Eine Einschreibung in den OLAT-Kurs ist obligatorisch für die Seminarteilnahme. Informationen über die Leistung zur Bestätigung der aktiven Teilnahme und über andere formale Aspekte finden Sie im Lehrbrief zur Vorbesprechung.

Die Vorbesprechung findet am Donnerstag, den 29.06.2017, um 16:15-17:45 in der Boschstraße 1 (im Besprechungsraum 108) statt.

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